Vorhersagbares Scheitern monogenetischer Züchtungsstrategien
Warum langfristig vitale Pflanzen mit Gentechnik nicht zu erzielen sind
Es klingt für Züchter verlockend: Mal eben die (hoch Schorf- und Feuerbrand- anfällige) Apfelsorte ‚Gala’ resistenter machen, indem man ihr das Gen des Wildapfels ‚Malus floribunda’ „einfügt“. Daran arbeiten schon seit geraumer Zeit Gentechniker der Schweizer Forschungsanstalt ‚Agroscope’ in Zürich. Und nachdem jetzt neue, angeblich „präzisere“ Methoden der Gentechnik entwickelt wurden, warb kürzlich der Schweizer FIBL-Direktor Urs Niggli dafür, auch der Biologische Anbau möge sich der neuartigen CRISPR/Cas-Gentechnik nicht verschließen. Dabei lehrt die Geschichte der Apfelzüchtung, dass mit einer solchen „monogen“ orientierten Strategie keine langfristig stabilen Verbesserungen der Pflanzengesundheit heutiger Apfelsorten zu erreichen sind.
Es steht schlecht um die Pflanzengesundheit der heutigen, im Erwerbsanbau weltweit angebauten Apfelsorten. Ob nun ‚Jonagold’, ‚Elstar’, ‚Gala’, ‚Braeburn’ oder ‚Rubinette’ – sämtliche dieser modernen, seit inzwischen gut 40 Jahren im Anbau befindlichen Sorten sind hoch anfällig für diverse Pilzkrankheiten wie Schorf, Mehltau oder Obstbaumkrebs sowie für die gefürchtete Bakteriose Feuerbrand. Das war nicht immer so. Bis etwa 1920/30 war der Obstbau in Deutschland ein meist nur extensiv, auf Hochstämmen und im Nebenerwerb ausgelegter Teil des bäuerlichen Betriebes. Die wenigen Betriebe, die in jener Zeit schon Plantagen im Haupterwerb bewirtschafteten, hatten gegen Pilzkrankheiten nur Schwefel und Kupfer zur Verfügung, so wie es heute der Biologische Anbau praktiziert. Für solche Anbauweisen kamen nur Sorten infrage, die sich als von Natur aus robust gegenüber Krankheiten erwiesen. Ein ‚Cox Orange’ galt damals als „Liebhabersorte“ mit hohen Pflegeansprüchen, aber nicht als Sorte für den Massenanbau.
Die Zeitenwende kam mit den Errungenschaften der chemischen Industrie: Seit diese dem Obstbau ihre Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stellt, war es möglich, auch solche Sorten mit Gewinn anzubauen, die vorher aufgrund ihrer Schorfanfälligkeit nie eine Chance gehabt hätten. Plötzlich wurde der ‚Golden Delicious’ – eine der krankheitsanfälligsten Sorten überhaupt – interessant, weil er jedes Jahr einen hohen Blütenansatz hatte, einen süßen Geschmack und eine gute Transportfähigkeit. Hoher Blütenansatz plus intensiver Pflanzenschutz gleich hoher Ertrag bzw. größerer Gewinn – das war seit den 1950er Jahren auch in Deutschland die Formel des Erwerbsobstbaus.
Genetische Verarmung und Inzucht
Auch die weltweite Obstzüchtung begann, ihren bis dahin beschrittenen Züchtungsweg mit den Prämissen Pflanzengesundheit, Ertragspotential und Geschmack zu verlassen: Plötzlich züchtete man weltweit nur noch mit den Sorten ‚Golden Delicious’, ‚Cox Orange’, ‚Jonathan’ und ‚McIntosh’ – es begann eine vorher nie dagewesene genetische Verarmung und Inzucht, die umso dramatischer ist, weil ‚Golden Delicious’ einer unserer „Schorf-Weltmeister“ ist, ‚Jonathan’ der „Mehltau-Weltmeister“ und ‚Cox Orange’ einer der „Obstbaumkrebs- und Blattlausweltmeister“. Diese Entwicklung ist der Hauptgrund, warum der Obstbau heute nicht
mehr ohne einen stetig steigenden Verbrauch an chemischen Pflanzenschutzmitteln auskommt.
Schorfresistenz ausschließlich monogenetisch basiert
Spätestens als in den 1970er Jahren die ersten Obstbaubetriebe ihre Plantagen auf Biologischen Anbau umstellten, wurde das Desaster des Vitalitätsverlusts der modernen Apfelsorten offenbar. Auch die Züchtung reagierte darauf und weltweit arbeiteten immer mehr Züchter an „Schorfresistenz-Sorten“. Allerdings: Auch diesmal setzten alle Züchter auf dieselbe Karte – die Schorfresistenz des japanischen Wildapfels ‚Malus floribunda’ (Vf). Bei dem hatte die Molekularbiologie inzwischen ein bestimmtes Gen identifiziert, das für dessen Schorfresistenz verantwortlich ist. Nun kreuzte man den ‚Malus floribunda’ – auf dem Wege klassischer Kreuzungszüchtung – in unsere ansonsten hoch krankheitsanfälligen Marktsorten ein. Fast alle Schorfresistenz-Züchtungen weltweit der letzten Jahrzehnte gehen zurück auf das Vf-Gen des Malus floribunda, gleichzeitig aber auch auf das – teils inzestuös verstärkte – krankheitsanfällige Erbgut der o.g. Ahnensorten des modernen Obstbaus – auch die „Öko- Sorte“ ‚Topaz’ als ihr bekanntester Vertreter. In deren Stammbaum sind züchterisch gleich alle 4 dieser krankheitsanfälligen Ahnen versammelt.
Diesen Weg hielten die Züchter für schneller und effektiver als den Weg der „alten“ Kreuzungszüchtung mit (polygen) resistenten Sorten, deren Erbgut man noch nicht entschlüsselt und deren „Wirkungsmechanismus“ bei der Schorf-Abwehr man noch nicht verstanden hatte. Bei den polygen resistenten Sorten konnte man den Züchtungsforschritt nicht gleichermaßen „kontrollieren“ und war stärker auf den „glücklichen Zufall“ bei der Züchtung angewiesen als bei der monogenetischen Schorfresistenz.
Der Traum zerplatzt…
Der Haken dabei: Der Traum der Obstbauern, mit den neuen Schorfresistenz-Züchtungssorten den unzähligen Fungizid-Spritzungen zu entkommen, ist nach nicht einmal 20 Jahren Anbaupraxis geplatzt. Nicht nur beim ‚Topaz’, sondern bei vielen dieser Züchtungen ist die anfängliche Resistenz inzwischen zusammengebrochen (siehe Foto 1). Ursache ist die nur auf einem einzelnen Gen lokalisierte (monogene) Schorfresistenz, die – im Gegensatz zu polygen verankerten Resistenzen – von den ihrerseits „lernfähigen“ Schorfpilzrassen in kurzer Zeit überwunden werden konnte.
Und noch schlimmer: Neuartige Krankheiten wie z.B. „Elsinoe Blattflecken“ befallen offenbar vorzugsweise viele dieser „Schorfresistenz-Sorten“ (im Instituts-Jargon wird die Krankheit inzwischen ‚Topaz-Spots’ genannt, siehe Foto 2). Ihre Anfälligkeit dafür haben sie ebenfalls vom ‚Golden Delicious’ geerbt.
Vorhersagbares Scheitern monogenetischer Züchtungsstrategien
Nun wollen uns Molekulargenetiker und Gentechniker weismachen, dass dieselbe Strategie – diesmal auf dem Wege der neuen und alten Gentechnik – einzelne Gene aus Wildäpfeln in unserer anfälligen Kultursorten „einzubauen“, Erfolg haben soll? Dieselben Versprechungen, dieselben Strategien: Es ist heute schon absehbar, dass auf diesem Wege allenfalls kurzlebige Erfolge erzielt werden und wir uns so weltweit immer weiter in die Sackgasse einer genetisch verarmten, ent-vitalisierten und inzestuösen Apfelzüchtung manövrieren, deren Produkte zwangsläufig immer mehr Spritzmittel benötigen.
Langfristig gesunde Sorten nur mit genetischer Vielfalt
Eine Züchtung, die langfristig gesunde Apfelsorten zum Ziel hat – egal ob für den konventionellen oder den biologischen Anbau – ist dagegen gut beraten, wenn sie sich der historischen Wurzeln der modernen (Inzucht-) Züchtung bewusst wird und ihre Aufmerksamkeit wieder auf (in Vergessenheit geratene) polygenetisch (und deshalb stabil) gesunde Sorten mit großer genetischer Bandbreite und deren Weiterentwicklung richtet.
Denn es gibt sie durchaus, die gesunden Sorten, deren Schorf- und sonstige Resistenzen Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte „gehalten“ haben. Dass dieser Weg in der Obstzüchtung mühsam ist und Zeit dauern wird, ist unbestritten. In den vergangenen 80 Jahren wurde ein solcher Weg – zugunsten vermeintlich „schnellerer“ Methoden – sträflich vernachlässigt. Umso notwendiger, jetzt in Richtung polygen resistente und vitale Obstsorten zu züchten.
Der Autor Hans-Joachim Bannier betreibt einer Apfelplantage mit 300 verschiedenen (alten und modernen) Apfelsorten und hat eine Studie über die Geschichte der Apfelzüchtung bzw. die Stammbäume der heutigen Apfelsorten veröffentlicht (1)
(1)„Moderne Apfelzüchtung: Genetische Verarmung und Tendenzen zur Inzucht“ in: Erwerbs-Obstbau 2010, DOI 10.1007 / s10341-010-0113-4, Springer-Verlag